In einer einsamen Hütte im Wald leben zwei gottesfürchtige Schwestern, die nur sich selbst vertrauen und Eins sind mit ihrem kargen Leben. Eines Tages wird dort der kleine Adam geboren und die Monotonie ihrer Tage verflüchtigt sich.
Evelina Holzapfel lebt mit ihrem einfältigen Mann Joseph und ihren Töchtern Maria und Regina in einer Waldhütte fernab der Zivilisation. Mit Worten wird an diesem Ort gespart. Josephs Dasein besteht hauptsächlich aus Fressen, Saufen und Ficken, es ist also dem der Wildschweine im Wald nicht unähnlich. Er verbietet Evelina, sich mit ihrer Schwester Klara zu treffen, die am Rande des Waldes lebt.
Als der Holzapfeljoseph nach mehreren Jahren Abwesenheit wieder zurückkehrt zu Frau und Töchter, ist die ältere der Schwestern, Maria, bereits 16 Jahre alt. Ehe es ihm gelingt, sich an ihr zu vergehen, eilt Regina herbei und schlägt ihm zuerst das Beil in die Kniekehle und macht sich dann über weitere Körperteile her, unterstützt von Maria und Evelina.
Lange Zeit später, Evelina ist längst tot, steht vor dem Haus der Schwestern die hochschwangere Sarah, Tochter von Klara und Halbschwester von Maria und Regina. Denn der Holzapfeljoseph hat auch Klara geschwängert. Nach anfänglicher Skepsis der Schwestern darf Sarah bleiben und bringt Adam zur Welt. Maria blüht auf und wird zur eigentlichen Mutter des kleinen Sonnenscheins. Sarah hingegen findet keinen echten Zugang zum Buben und auch das abgeschiedene Leben im Wald tut ihr nicht gut, sie fängt, wie Regina schon Jahre zuvor, mit dem Schnapstrinken an.
Eines Tages entführt Walter Felsenreiter, der Vater von Adam, den mittlerweile fünfjährigen Buben in die Stadt. Adam soll von nun an bei ihm und seinen Bordellmädchen aufwachsen, zu diesen einst auch Sarah gehörte. Als Maria das Verschwinden „ihres“ Sohnes bemerkt, macht sie sich sofort mit ihrem Gewehr auf die Suche durch den Wald.
„Getrieben vom Mutterinstinkt einer Löwin zieht sie in den Krieg, zu allem bereit. Sie schnauft dem Rhythmus ihrer Schritte angepasst, handelt, ohne zu denken, sucht den Adam. Ihren Sohn. Die biologische Mutterschaftsfrage hat sich ihr nie gestellt.“
Moshammer`s Handlung spielt zwar in einer Zeit nach einem nicht näher definierten Kollaps, der die Zivilisation auf ein niederes Niveau zurückfallen hat lassen, jedoch steht bei ihr nichts Dystopisches im Mittelpunkt. Der Roman erzählt vom archaischen Leben im Wald und einfachen Menschen, die sich von der oft rauen Natur nicht unterkriegen lassen und ihren Daseinszweck einzig dem täglichen Überleben widmen. Die Gottesfurcht der Frauen ist zu groß, sie gibt ihnen aber auch den notwendigen Halt und eine Struktur im Leben.
Auch wenn Antagonisten wie der Holzapfeljoseph und der Felsenreiter besonders primitives Verhalten an den Tag legen, lässt das Buch durchblicken, dass diese eben auch nur Menschen sind und nicht ausbrechen können aus den ihnen vom Leben zugeteilten Rollen.
In Bernhard Moshammer`s rauer, aber auch berührender Geschichte erfreuen Satzperlen wie etwa diese ganz besonders: „wenn Mutter Natur furzt, blubbert der Waldboden kleine Tsunamis übers Moor“, „Die Tage hängen in den Bäumen, schwer wie Jahre.“ oder „ihr Starren brennt ein Loch in die Zeit“.
Bernhard Moshammer
Die Holzapfel Schwestern
Roman | Milena, 2022
292 Seiten | € 24,00
TIPP: Bernhard Moshammer ist am 4. Jänner 2023 mit Lesung & Konzert zu Gast im Cinema Paradiso!
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