Der Kulturverein LAMES richtet im Schwarzen Raum am Spratzerner Kirchenweg in der Regel DJ-Nights und Konzerte aus. Am Freitag, den 28. Februar hat sich ebendort das Landestheater Niederösterreich in Person von Ensemblemitglied Tim Breyvogel einquartiert, um „Steilwand“ zu performen.
Das zahlreiche Publikum versammelt sich, angelockt durch die ungewöhnliche Ankündigung, neugierig vor der improvisierten Bühne und blickt erwartungsvoll auf die vielen verkabelten Gerätschaften. Dann kommt Breyvogel im Slacker-Outfit, baut sich hinter seinem elektronischen Equipment auf und gibt Spur um Spur an die Lautsprecher frei, bis ein satter Beat mit vielerlei Störgeräuschen zu hören ist.
Mit einer Auflegerei hat das vorerst gar nichts zu tun, ebenso wenig mit einem Konzert. Es handelt sich eher um eine multimediale Inszenierung, bei der allerlei elektronische Effektgeräte zum Einsatz kommen, Videoprojektionen an die Wand geworfen werden und Breyvogel in der Person von Alex einen Monolog über die privaten Ereignisse seiner jüngsten Vergangenheit hält.
Über die Klangkulisse beginnt Alex beiläufig seine Geschichte zu erzählen – ganz so, als stünde er an einer zu lauten Bar und labert einer Zufallsbekanntschaft die Ohren mit seiner Familiengeschichte voll. Er erzählt von seiner bezaubernden Frau und von seiner aufgeweckten Tochter. Von seinem beeindruckenden Schwiegervater und den gemeinsamen Urlauben in dessen Haus in Südfrankreich.
Inzwischen sind die Klänge schräger geworden und die Stimme hysterischer. Dem fiktiven Zuhörer dämmert bereits, dass sich hier jemand verzweifelt um sein Seelenheil redet. Was geschah letzten Urlaub am südfranzösischen Meer? Welches Ereignis ließ den glücklichen Ehemann und Vater in ein existenzielles Loch fallen? Und warum die Diskussionen um die Existenz Gottes? Kann auch ein perfekter Schwiegervater einen Fehler machen? Ihr werdet es von mir an dieser Stelle nicht erfahren.
Mit der österreichischen Erstaufführung des Monologs „Steilwand“ aus der Feder des britischen Dramatikers Simon Stephens im Schwarzen Raum gelingt dem Landestheater ein Coup. Breyvogel beweist mit seiner aufwühlenden Performance, dass modernes Theater intensiv sein und überraschen kann. Dass ein Stück weder den festlichen Rahmen eines Theaters benötigt, um sich auf die Geschichte einzulassen, noch die üblichen Rituale in einem Schauspielhaus – außer das Klatschen am Ende des Stückes. Und dass es möglich ist Leute anzusprechen, die bisher wenig mit Theater in Berührung kamen. „Wir wollen mit dem Stück raus aus dem geschützten Bereich „Theater“ und ganz nah am Publikum sein. Da sein, wo uns niemand erwartet“, so Breyvogel, der seit 2016 Ensemblemitglied im Landestheater ist.
Nach der knapp einstündigen, beklemmenden Performance werden die Turntables gestartet und eine DJ-Nacht beginnt, wie man sie vom Schwarzen Raum gewohnt ist. Die Besucher entziehen sich der schwer zu verdauenden Geschichte mit einem Cocktail und mit rhythmischen Körperbewegungen zu den orientalisch anmutenden Elektrobeats von DJ Tilki aka Filiz Fuchs.
Die Sets von DJ Roland Stein, Ben Panner aka Benni Dossa und DJ Lichtfels aka Andi Fränzl lasse ich aus. Während der Heimfahrt rotiert der letzte Satz des Stückes im Hinterkopf: „Wenn das passieren kann, kann alles passieren“.
Wer die Premiere von „Steilwand“ versäumte, hat am 18. April ab 20 Uhr nochmals die Möglichkeit, das Stück im Schwarzen Raum zu sehen. Weitere Termine und Orte der mobilen Produktion sind geplant.
Die Termine werden auf www.landestheater.at bekannt gegeben.
Galerie mit 14 Pics (c) Claudia Zawadil Du musst eingeloggt sein, um die Bilder sehen zu können!
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