Videocity ist ein Public Art Project, welches das Ziel hat, Videokunst für die breite Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Gegründet wurde Videocity 2013 in Basel von der auch in Niederösterreich lebenden Kuratorin Dr. Andrea Domesle und nun ist es bei uns in St. Pölten gelandet. Die Stadt St. Pölten, die Inhalte, Aufgaben und örtlichen Gegebenheiten der Standorte und die dort tätigen Persönlichkeiten formen und bestimmen die Werkauswahl und damit eine ganz Orts-spezifische und einmalige Präsentation. In einem Stadtparcours, der sich durch die Innenstadt zieht, werden an sieben Stationen künstlerische Kurzvideos von 24 lokalen und internationalen Künstler*innen/-Kollektiven gezeigt. Bei jeder Station laufen mindestens drei der insgesamt 27 ausgewählten Videoarbeiten zum Thema „Essen“ – ausgewählt im Gespräch mit den Standortvertreter*innen.
Wir befinden uns nun im Löwenhof, dem Startpunkt des Parcours. Auf den Bildschirmen, welche im STARTraum (A) und Kunst:Werk (B) montiert wurden, laufen künstlerische Videos von lokalen Künstler*innen aus St. Pölten, Wien und Steyr: Harald Hund & Paul Horn, Leopold Kessler und Markus Wintersberger sind hierbei mit tierischen Kurzfilmen vertreten, welche dennoch vom Menschen und seinen geheimen Wünschen, Kämpfen und Sorgen erzählen. Das Tier erweist sich wiederum als ein ideales Alter Ego des Menschen. Auch zerstörerische, menschliche Einflüsse des Menschen auf Tiere und natürliche Verwesungsprozesse werden, etwa bei Markus Wintersberger, thematisiert.
Nora/Aaron Scherer und Eva Sommer haben in ihrem künstlerischen Kurzvideo einen spielerischen Zugang gewählt, begeben sich in die Situation eines Table Dance rund um Gender*. Das Kollektiv Wirr und Bernadette Huber haben Erdbeeren als Protagonisten für ihre Arbeit ausgewählt und auch die St. Pöltner Künstlerin Evi Leuchtgelb ist im Löwenhof vertreten – über Früchte und das Gemüse sind dies sehr zeitgenössische Referenzen an barocke Stillleben.
Nicht weit vom Löwenhof und damit den ersten beiden Stationen befindet sich das Atelier des Gestaltungs-Duos Mars+Blum (C), hier werden 6 Videos gezeigt, welche die beiden Grafiker*innen aus dem großen Pool an Werken, welche Videocity offerierte, ausgewählt haben: Unter anderem eine Hauseigene Produktion von Videocity speziell für Kinder. Auf einem Bildschirm, montiert an der Fassade des Stadtmuseums (D) sind drei Kurzvideos einzusehen, welche auf die Kunstgeschichte Bezug nehmen und zeitlich gar noch weiter zurückgreifen: auf Michel Angelo, die Renaissance sowie die christliche Ikonographie. Hier ist eindrücklich zu sehen, dass auch Medienkunst nicht im luftleeren Raum entsteht, sondern sich mit seinen Vorläufern der Kunstgeschichte auseinandersetzt und eine für unsere Zeit aktuelle Deutung findet. Man spürt: Hier hat Direktor Thomas Pulle mit seinem kunsthistorischen Wissen und in Bezug zur Stadtmuseums-Sammlung aus dem umfangreichen Videocity-Pool ausgewählt.
Im Eingangsbereich zum Cinema Paradiso (E) befindet sich die nächste Station des Parcours – hier werden Lebensmittel in entfremdeten Zuständen gezeigt, sei es in Form von Abfällen als Weltraumschrott um die Erde kreisend oder als beißender Kommentar zur ungerechten globalen Verteilung von Nahrung: Wegwerfgesellschaft vs. Unterernährung. Deutlich wird: die Video-Auswahl von Videocity St. Pölten trifft den Puls der politischen Diskussionen und Fragen der Gesellschaft! Die Videocity-Videos werden zwischen den Filmankündigungen eingespielt. Also bitte um etwas Geduld.
Auf dem Monitor im Schaufenster des P3TV Stadtstudios (F) werden Videoarbeiten von drei Künstlerinnen gezeigt. Der Fokus liegt hierbei auf der Koch- und Esskultur aus unterschiedlichen Kulturen. Zitiert werden Koch-Formate im Fernsehen. Der Unterschied ist: Die Künstlerinnen präsentieren ihre persönliche Erfahrung, sei es mit Migrationshintergrund, sei es fern der Heimat oder eben in ihrer Heimatstadt.
Nun kommen wir auch schon zur letzten Station des Videocity St. Pölten Parcours: Das Café Emmi (G) – die vier präsentierten Künstler*innen beschäftigen sich in ihrer ausgestellten Arbeit unter anderem mit Geschichten rund um die Essensverteilung und Restaurants: Das Wort ergreifen ein Salat im Kühlschrank, ein russischer Chefkoch auf dem Lande sowie Restaurantgäste in einem eritreischen Restaurant. Hier können die Videos an einem Ruheort, einer angenehmen Gaststube genossen werden, das auslegende Booklet mit Interpretationen zu den auf dem gesamten Parcours gezeigten Werken kann gemütlich studiert werden und bei einem Getränk lässt es sich gemütlich mit Tischnachbarn über all die vielfältigen, diversen Eindrücke diskutieren. Auch wenn der Großteil der Künstler*innen die Werke woanders produziert hat, nur zwei Künstler*innen aus St. Pölten stammen: Die Fragen und Themen, die sie rund um das Thema „Essen“ aufgreifen, betreffen uns alle und wir erfahren: Diese sind somit global und somit lokal zugleich – und nur durch unser eigenes Handeln und unsere kritische Stellungnahme können wir auf die weltweiten Verbindungen Einfluss nehmen!
Stationen des Videocity Stadtparcours:
(A) STARTraum (Löwenhof, Linzerstraße 16):
Harald Hund & Paul Horn, Leopold Kessler, Kollektiv Wirr, Nora/Aaron Scherer & Eva Sommer
(B) Kunst:Werk (Löwenhof, Linzerstraße 16):
Bernadette Huber, Evi Leuchtgelb, Markus Wintersberger
(C) Mars+Blum (Linzerstraße 14):
Sonja Alhäuser, Copa & Sordes, Luzia Hürzeler, Wenfeng Liao, videocity for Kids, Ruth Maclennan
(D) Stadtmuseum (Prandtauerstraße 2):
Judith Albert, Andreas Kressig, Debora Vrizzi
(E) Cinema Paradiso (Ratzhausplatz 13):
Peter Aerschmann, Paul Birchall, Jérôme Leuba
(F) P3TV Stadtstudio (Rathausgasse 3):
Ana Hušman, Ji Su Kang-Gatto, Gyonyoung Yoon
(G) Café Emmi (Linzerstraße 1):
Paul Birchall, Sergey Bratkov, Ruth Maclennan, Ezra Wube
Ein Booklet mit Interpretationen zu den gezeigten Videoarbeiten liegt im Café Emmi, im Kunst:Werk und im Stadtmuseum aus .
Öffnungszeiten:
01.10. – 05.12.2021, täglich von 9:00 – 22:00
City-Flyer – die Stadt bei Tag und Nacht › Foren › Ein Spaziergang durch den Videocity Stadtparcours – Globale und lokale Gedanken zum Thema „Essen“