Good Vibrations bei der «fem*session»

Discount Liquor © Claudia Zawadil

Dass zwei zeitgleiche Veranstaltungen in St. Pölten um dasselbe Zielpublikum buhlen, kommt sehr selten vor. Am Mittwoch, den 25. Oktober war wieder so ein Tag, an dem in der Innenstadt viel „Gegenkultur“ geboten wurde. Wir standen vor der Wahl zwischen Salò, der ein FM4-Überraschungskonzert im Cinema Paradiso gab. Salò gibt sich antikapitalistisch und singt gegen den Neoliberalismus an.
Einige hundert Meter entfernt fand im STARTraum im Löwinnenhof die «fem*session» statt, eine queer-friendly und feministische Konzertreihe, die Künster*innen minus die Cis-Männer protegiert.
Wobei der Begriff „Gegenkultur“ nicht wirklich zutrifft, da ja eh alle für gerechte Teilhabe sind und die Forderungen der Aktivist*innen affirmativ beklatschen – zumindest das anwesende Publikum bei beiden Veranstaltungen (um die Umsetzung kümmern soll sich dann jemand anderer).

Aber um Politik soll’s hier nicht gehen, sondern um die «fem*session», die hier besprochen werden will (also doch Politik. Identitätspolitik, aber die lassen wir außen vor).

Euch ist sicher auch schon aufgefallen, dass – egal in welcher Sparte – bei Konzerten und in Clubs in der Regel die Männer das Bühnengeschehen bestimmen. Manche finden das nicht gut, den meisten ist es egal. Zur ersten Gruppe zählen Lena Schmaldienst und Klaus-Michael Urban, die sich aktiv dafür einsetzen dieses Faktum zu ändern.
Um das Geschlechterverhältnis bei Veranstaltungen und Festivals auf den Kopf zu stellen, haben Lena und Klaus daher die «fem*session» ins Leben gerufen.
Für die Veranstaltungsreihe, die erstmals im Oktober des Vorjahres mit Gianna Rose und Lucifers Mum ihr Debut feierte, werden ausschließlich FLINTA*-Personen eingeladen. FLINTA* steht für female, lesbian, inter, non-binary, trans und agender. Hier können die Künster*innen ihre Fertigkeiten in einem queer-freundlichen Rahmen präsentieren.

Die zweite «fem*session» fand am Mittwoch, den 25. Oktober im STARTraum statt, die female-Band Topsy Turvy bestritt den Abend als Hauptact. Es brauchte nicht die Hinweise auf den Visuals im Hintergrund, um die Bezüge des Trios zur „Riot Grrrl“-Bewegung, die am Beginn der 90er Jahre aus der US-amerikanischen Hardcore-Punk-Szene erwuchs, zu erkennen. Eigentlich naheliegend, haben die Riot Grrrls, zu deren prominentesten Vertreterinnen die kultisch verehrten Bands Bikini Kill und Sleater-Kinney zählen, ähnliche Anliegen, nämlich das Zurückdrängen der männlichen Dominanz in der Musikbranche.
Doch so wie deren Vorbilder für ihre Shows schon lange keinen „geschützten Raum“ mehr brauchen, kann ich mir das St. Pölten/Wien Grrrl-Trio auf jeder (Indie)-Bühne vorstellen. Das Interesse, ihre Schrammel-Punksongs im Bierzelt darzubieten, wird sich sowieso in Grenzen halten. Vermutlich haben Lena und Klaus die stadtbekannten Topsy Turvy als „ziaga“ gebucht, als Newbis gehen sie nicht mehr durch.
„Gezogen“ haben die drei Girlies auf alle Fälle. Der STARTraum war gut gefüllt, die Stimmung war ausgezeichnet, das Geschlechterverhältnis ausgeglichen, die LINTA*s unauffällig, oder nicht vorhanden. Ich sah zumindest mehr Metalfans, die vor allem beim Auftritt des warm-up Acts großen Spaß hatten. Die Künstlerin nennt sich Claire und brachte bekannte Hitparaden- und Indie-Songs wie „Zombie“ von den Cranberries mit Gesang und Gitarrenbegleitung zur Aufführung. Die gesanglich anspruchsvollen Songs zeigten Claire rasch ihre technischen Grenzen, umso hilfreicher war der Beistand des mitsingenden Publikums bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt.

Durch den Abend führte die sympathische Discount Liquor im schicken Lackkleid und atemberaubend roter Perücke. Gleich zu Beginn machte sie mit ihrer „gruseligen“ Playback-Einlage klar, dass die «fem*session» in erster Linie Spaß bereiten soll. Damit geht sie mit den Veranstalter*innen Lena Schmaldienst und Klaus-Michael Urban weitgehend d’accord, die den Zweck ihrer Veranstaltung darin sehen, „diverse Menschen zu stärken und eine gute Zeit mit guter Musik und freundlichen Menschen zu haben“.
Freundliche und tolerante Menschen gab es an diesem Abend sonder Zahl. Die Gefahr bei solchen Veranstaltungen besteht halt darin, dass das tolerante Publikum auch sich selbst ob seiner Toleranz beklatscht.

Galerie mit 35 Pics (c) Claudia Zawadil Du musst eingeloggt sein, um die Bilder sehen zu können!

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Werner Harauer
Magister Phil. (Publizistik, Kunstgeschichte), City-Flyer Gründer (1997) und Herausgeber. Im Brotberuf Öffentlichkeitsarbeiter, Journalist und Grafiker, Vinyljunkie seit der Punk und Disco-Ära. Workaholic auf der Suche nach dem perfekten Popsong.

City-Flyer – die Stadt bei Tag und Nacht Foren Good Vibrations bei der «fem*session»

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      Werner
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