Gravögl: Dem Sein auf der Fährte

Die Gravögl sind v.l.n.r.: Richard Längauer, Gerald Schaffhauser, Johannes Forstreiter. Sitzend: Thomas Gravogl Foto: Markus Marouschek, z.V.g.
Die Gravögl sind v.l.n.r.: Richard Längauer, Gerald Schaffhauser, Johannes Forstreiter. Sitzend: Thomas Gravogl Foto: Markus Marouschek, z.V.g.

Angelehnt an den Nachnamen des Bandleaders Thomas Gravogl haben sich die Gravögl inzwischen eine veritable Fangemeinde erspielt. Mit dem bald veröffentlichten zweiten Album „Imma is irgendwos“ sichern sie sich einen Platz neben versierten Liedermachern wie Ernst Molden. Der City-Flyer durfte das Album bereits durchhören und ist begeistert.

Interview: Werner Harauer
Foto: Markus Marouschek, z.V.g.

City-Flyer: Bei einem Interview mit Alexander Goebel hast du angegeben, mehr in der Tradition von Ernst Molden zu stehen als in jener von Seiler und Speer. Jetzt erscheint das Album bei Bader Molden Recordings, was ja quasi einem Ritterschlag gleichkommt. Wie habt ihr das geschafft?

Thomas Gravogl: Ich hab dem Ernst bei einem Konzert mit dem Frauenorchester in der Bühne im Hof 2018 eine Gravögl Platte in die Hand gedrückt und er hat sich glaub ich zwei Tage später gemeldet und uns super Feedback gegeben. Allein das hat mich damals schon wahnsinnig gefreut. Wir sind dann in Kontakt geblieben und heuer war ich in Wien, hab dem Charlie Bader und ihm die neuen Songs vorgespielt und wir haben uns entschlossen, das Gravögl-Album gemeinsam rauszubringen. Das ist natürlich schon eine große Ehre, ich könnt mir kein besseres Label für uns vorstellen.

CF: Wird es wieder eine Vinyl-Version geben?

Gravogl: Das Album wird es als LP und CD geben. Ich höre gern und viel Musik auf Kassette, ich glaube wir werden auch ein kleine Auflage MCs machen. Die liebste Linda Partaj steuert das Artwork bei, das wird richtig schön.

CF: Ihr wart im August im House Of Riddim Studio in Karlstetten. Wie lange haben die Aufnahmen gedauert?

Gravogl: Rein für die Aufnahmen hatten wir zwei Studiotage und wie haben wie beim ersten Album alles live eingespielt. Sam Gilly hat das Album auch gemischt. Wir fühlen uns bei Sam sehr wohl, das House of Riddim Studio ist großartig. Danke an dieser Stelle auch an Martin Scheer, der das Album für uns gemastert hat.

CF: Lautet die aktuelle Besetzung der Gravögl wie folgt?
Thomas Gravogl: Gesang & Gitarre
Gerald Schaffhauser: Bass & Gesang
Richard Längauer: E-Gitarre
Johannes Forstreiter: Schlagzeug & Harmonium
Auf dem Debütalbum haben noch Georg Aron (E-Gitarre) und Alexander Bachler (Schlagzeug / Akkordeon) statt Längauer und Forstreiter mitgewirkt. Wann kam es zum Wechsel?

Gravogl: Alex und Georg haben die Band aus beruflichen und privaten Gründen 2018 bzw. 2020 verlassen. Mit dem Hannes (Johannes Forstreiter) hatten wir ja auch schon andere gemeinsame Projekte und er war relativ schnell als Ideallösung für’s Schlagzeug mit an Bord. Richie ist dann 2020 als neuer Gitarrist eingestiegen und auch mit dieser Entscheidung sind wir super glücklich.

CF: Du wurdest bei oben genannten Interview auch mit Bob Dylan in Verbindung gebracht. Ich mein eher den Neil Young in seiner „Harvest“-Phase rauszuhören.

Gravogl: Natürlich gibts immer eine Reihe von Einflüssen, die einen Songwriter prägen, „Harvest“ ist aber tatsächlich eine sehr wichtige Platte für mich/uns. Auch in punkto Sound. Die Gravögl hätten auch gerne eine Übersetzung von „out on the weekend“ mit auf die Platte genommen, wir haben aber leider die Bearbeitungsrechte nicht bekommen. Also ja, „Harvest“ – Volltreffer.

CF: „Hochwossaliad“ erinnert am ehesten an Bob Dylan. Hier kommt nur die Akustikgitarre und Mundharmonika zum Einsatz. Haben die anderen Bandmitglieder bei dem Song nicht mitmusiziert?

Gravogl: Beim „Hochwossaliad“ waren wir uns eigentlich von Beginn weg einig, dass der Song reduziert auf Gitarre und Mundharmonika am besten funktioniert.

CF: Im Text von „Hochwossaliad“ dokumentierst du das Geschehen, klagst aber nicht an. Überlässt du das den Hörer*innen?

Gravogl: Das „Hochwossaliad“ ist tatsächlich auch eher als Dokumentation gedacht, weil’s einfach ein prägendes Erlebnis war, das ich so nochmal zu Papier bringen wollte. Die Anklage beschränkt sich auf die Tatsache, dass lange Zeit falsche Maßnahmen in der Regulierung getroffen wurden. Mittlerweile hat sich das aus meiner Sicht zumindest an der Traisen bei uns in Lilienfeld geändert. Dafür brauchte es halt leider zuerst die Katastrophe.

CF: Die anderen Songs hören sich nicht so reduziert an, sondern sind prall gefüllt mit Ideen, die die Musiker ausleben dürfen. Steuern die Musiker ihren Part dazu bei, oder hast du eine Gesamtvorstellung vom Song, den diese dann ungefähr deiner Vorstellung umsetzen sollen?

Gravogl: Ich komme mit einer Solo-Version, also Gitarren – und Gesangspart, oder zumindest einer Idee dieser Parts in den Proberaum und dann basteln wir gemeinsam an der Bandversion. Da bringt sich jeder ein und schreibt quasi seinen Teil selbst. Ich hab schon eine grobe Vorstellung in welche Richtung es gehen kann oder soll, aber wir sind da voll auf einer Wellenlänge und meistens spielen wir mal drauf los und finden sehr schnell ein Grundkonzept. Meine Vorstellungen kann ich da meist für mich behalten weil die eh übertroffen werden wenn wir uns gemeinsam was erarbeiten.

CF: Wenn ich dir verrate, dass ich beim verzerrten Gitarrenpart vom Song „Waun i net auskau“ an die Postpunk Band Joy Division denken musste, hältst du mich dann für verrückt?

Gravogl: Richie spielt als Substitut immer wieder mal bei Franz Fuexe, das würd a bissl den Punk erklären.
Ich mag Joy Division, Richie sagt, er kennt sie gar nicht soo gut.

CF: In den sehr persönlichen Texten, wie z.B. in „Waun daun mit dir“, geht es fast ausschließlich um Zwischenmenschliches. Wie persönlich sind die Texte tatsächlich gehalten? Kommst du, kommen deine Freund*innen darin vor?

Gravogl: Ja, so persönliche Texte könnt ich nicht frei erfinden, würd ich auch nicht wollen.
Meist nehm ich konkrete Erlebnisse oder Gefühle als Basis für einen Text und sehe dann, wohin der Prozess mich führt. Das wird dann schon oft insgesamt recht abstrakt und geht über tatsächlich Erlebtes hinaus.

CF: Nochmals zurück zum Interview auf Goebel.Radio. Da ist in der Ankündigung zu lesen, du seist der Mann, der als Denkmal für Authentizität überall im Mostviertel aufgestellt gehört. Besteht für den Künstler, die Künstlerin nicht die Gefahr, in eine „Authentizitätsfalle“ zu geraten? Soll heißen, dass er/sie nurmehr jene Themen künstlerisch bearbeiten darf, das er/sie persönlich erlebt hat, um authentisch zu sein? So dürfte z.B. ein Weißer nicht gegen die Apartheid ansingen, eben weil er ein Weißer ist.

Gravogl: Grad im Singer/Songwriter-Genre ist Authentizität natürlich schon ein wichtiger Bestandteil, auch wenn der Begriff schon ganz schön strapaziert ist. Aber ja, wenn Musik nicht authentisch ist, kommt’s bei mir zumindest auch nicht an. Zusätzlich zu den persönlichen Inhalten, bleibt mir als Songwriter ja auch noch immer das Erzählen frei erfundener Geschichten. Da kann ich aus dem Vollen schöpfen und muss nichts selbst erlebt haben. Die Sage vom „Schrattl“ zum Beispiel darf ich auch erzählen wenn ich kein Waldschrat bin. Da kommt’s halt eher auf die Art und Weise drauf an, wie man erzählt. Aber ich weiß schon was du meinst.
Ich bin der Meinung, wenn man Kritik äußern will, oder in irgendeiner Form eine Art von Ungerechtigkeit ortet, sollte es erlaubt sein, diese Ungerechtigkeit in einem Text aufzudecken und anzupragern. Es gibt viele Protestsongs, die authentisch sind, auch wenn sie nicht selbst Erlebtes behandeln. Um wieder zu Bob Dylan zurückzukehren denke ich da z.B. an „The lonesome death of Hattie Carroll“ oder „Hurricane“. Ich empfinde beide Songs als authentisch, weil ich dem Dylan abnehme, dass ihn die im Song angeprangerten Strukturen aufregen und er auf gesellschaftliche Probleme aufmerksam machen will. Authentizität im Protestsong hat für mich nicht soviel damit zu tun, ob besungene Ungerechtigkeit dem Songwriter/der Songwriterin selbst widerfährt, sondern eher damit, ob ich den Protest als ehrlich und glaubwürdig empfinde und welche Ziele damit verfolgt werden.

CF: Wer komponiert die Songs der Gravögl? Wer schreibt die Texte?

Gravogl: Ich schreibe die Texte und komponiere meinen Gitarrenpart. Die Instrumentalparts komponiert im Grunde jeder selbst.

CF: Gerald Schaffhauser und Johannes Forstreiter braucht man nicht vorstellen. Richard Längauer an der E-Gitarre ist für mich aber ein unbeschriebenes Blatt …

Gravogl: Richie ist ein langjähriger Musikerkollege und Freund vom Forstl. Bei einer Forstreiterschen Geburtstagsfeier 2020 im Freiraum haben wir dann gemeinsam Tom Petty Songs gespielt und da hats gefunkt. Schön, ihn jetzt als Freund und Gitarristen in der Band zu haben.

CF: Wann erscheint das Album?

Gravogl: „Imma is irgendwos“, so wird das Album heißen, erscheint am 12.01.2024.

CF: Wann und wo werdet ihr das Album live präsentieren?

Gravogl: Am 12.01.2024 spielen wir ein Releasekonzert in Wien im Chelsea, am 29.02.2024 in St.Pölten im Cinema Paradiso. Weitere Termine sind grad noch in Abstimmung.

CF: Wird Christopher Panzenböck wieder ein Musikvideo eines eurer Songs machen? Das Video zu „A schena Tog“ vom Debütalbum der Gravögl war schon erste Sahne.

Gravogl: Das stimmt, wir sind auch große Fans und wollen auf alle Fälle wieder ein Video mit ihm umsetzen. Im Idealfall noch vor dem Release.

CF: Vielen Dank für das Interview. Und wir sind echt schon gespannt auf die Platte.

Werner Harauer
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Werner Harauer
Magister Phil. (Publizistik, Kunstgeschichte), City-Flyer Gründer (1997) und Herausgeber. Im Brotberuf Öffentlichkeitsarbeiter, Journalist und Grafiker, Vinyljunkie seit der Punk und Disco-Ära. Workaholic auf der Suche nach dem perfekten Popsong.

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      Werner
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