Ende 2022 rief Harry Stöckl seine Band Nattastoy (ugs. für seine Heimatgemeinde Natterstal) zusammen, die in kurzer Zeit sechs Songs für ein neues Album einspielten. Der City-Flyer durfte einige Songs vor Erscheinen hören und erhielt von Mastermind Stöckl Auskunft über den Entstehungsprozess, die Beteiligten und dem Spirit hinter dem Album.
Im November des Vorjahres zogen sich Gerald Schaffhauser, Benjamin Zissler und Harry Stöckl ins House Of Riddim Studio nach Karlstetten zurück, um das zweite Album von Nattastoy aufzunehmen. „Wir kamen mit sechs fertigen Liedern ins Studio und haben wieder live und ohne Click eingespielt. Gerald und ich haben auch alle Songs zügig an einem Tag eingesungen. Man hört das teilweise an meiner rauhen Stimme. Aber das mag ich eh“, so Harry.
Gemischt hat das Album diesmal Hausherr Sam Gilly, gemastert wurde es wieder von Martin Scheer. Bei solch geballter musikalischer Kompetenz lassen sich auch „spezielle Wünsche“ erfüllen; dann greift bei einem Song eben Ausnahmegitarrist Harry in die Tasten des Fender Rhodes Pianos.
Wann das Album erscheint und welchen Titel es trägt, wissen die drei Musiker noch nicht. Fix ist, dass die Single „Im Tram“ als Vorbote ins Rennen geschickt wird.
Texte und Stimme stammen wieder von Harry, wobei er diesmal auch zwei Nummern in Englisch performt. Inhaltlich fasst die Band heiße Eisen an, wie z.b. die Umweltzerstörung beim Song mit dem Projekttitel „Bossa Punk“. „Vielleicht benenne ich ihn noch um in: „Es Oaschlecha hauts unsa Wöd zaum und egal wie laut ma schrein, es mochts afoch weida!“, so Harry. Auf meinem fragenden Blick ergänzt er: „Als Musiker darf man alles. Deswegen gibt es auch Nazibands. Leider …“
Interview: Werner Harauer
Foto: Liane Strasser, z.V.g.
City-Flyer: Die beiden Songs der neuen LP, die ich zu hören bekam, schweinerocken ordentlich. Zieht ihr die Linie das ganze Album durch?
Harry Stöckl: Nein. Ich hab dir die Balladen erspart.
CF: Beim Song „Da Mond“ hatte ich den Eindruck AC/DC zu hören. Habt ihr euch Anleihen aus den 80er Jahren geholt?
Harry Stöckl: Die Inspiration zu dem Anfangsriff war Rory Gallagher. Also 70er Jahre.
CF: Natürlich will ich wissen, wann das Album erscheinen wird, ob es schon einen Titel hat und wie viele Songs enthalten sein werden.
Harry Stöckl: Termin gibt es noch keinen. Es wird erstmal eine Single erscheinen. Der Titel wird „Im Tram“ sein und es werden sechs Nummern drauf sein.
CF: Ihr plant vorab eine Single mit dazugehörigem Video zu veröffentlichen. Um welchen Song handelt es sich?
Stöckl: Das Video, welches gerade gedreht wird, ist für „Pocket“, eine ältere Nummer, die allerdings nicht am ersten Album oben ist. Wir haben „Pocket“ als Single herausgebracht.
CF: Studenten der FH haben das Video umgesetzt. Wird eine Geschichte erzählt? Worum geht es?
Stöckl: Ich hab das Video noch nicht gesehen!
CF: Ihr habt im November im HoR-Studio in Karlstetten die Songs der neuen LP relativ rasch eingespielt. Wart ihr gut vorbereitet und hattet die ganze Produktion schon im Kopf? Erzähl uns bitte etwas über den Produktionsprozess.
Stöckl: Wir haben wieder live und ohne Click eingespielt. Das Aufnehmen beim Sam Gilly ist immer sehr entspannt und dadurch geht viel weiter. Die Lieder waren alle fertig, als wir mit den Aufnahmen begonnen haben. Gerald und ich haben auch alle Lieder an einem Tag eingesungen. Man hört das teilweise an meiner rauhen Stimme. Aber das mag ich eh.
CF: Hattet ihr diesmal Gastmusiker dabei? Oder haben Gerald Schaffhauser (b), Benjamin Zissler (dr) und du (voc., guit) wieder alles selbst eingespielt?
Stöckl: Nein keine Gastmusiker. Ich hab bei einem Lied Fender Rhodes Piano gespielt.
CF: Stand Martin Scheer wie beim letzten Album hinter den Reglern?
Stöckl: Gemischt hat es diesmal Sam Gilly. Gemastert hat es wieder Martin Scheer.
CF: Ich habe mir euer Debut-Album von 2019 nochmals angehört. Ihr habt damals musikalisch viel experimentiert. Im Vergleich dazu hören sich die zwei neuen Songs sehr konform an. Ist das der Tribut, mehr Hörer zu gewinnen? Schließlich willst du die message in deinen Texten unter die Leute bringen.
Stöckl: Nein, an so etwas denke ich nicht mal ansatzweise beim Schreiben. Die Lieder müssen uns gefallen und wenn sie dann anderen auch gefallen, ist das schön.
CF: Singst du auf dem Album nach wie vor alle Texte in Mostviertler Mundart? Ich muss gestehen, obwohl Mostvertler, hab ich auch einiges akustisch nicht verstanden.
Stöckl: Es sind tatsächlich zwei Nummern, bei denen ich Englisch singe. Komm mal auf einen Kaffee nach Frankenfels ins Natterstal. Danach verstehst du jedes Wort von mir!
CF: Ist wieder ein physikalischer Tonträger geplant? Werden Linernotes beigelegt?
Stöckl: Natürlich würden wir sehr gerne die Lieder auf Vinyl pressen. Aber das steht noch in den Sternen.
CF: Erscheint das Album wieder auf Violet Noise Records?
Stöckl: Nein.
CF: Schreibst du nach wie vor alle Texte?
Stöckl: Ja.
CF: In den Songs geht es um Ungerechtigkeiten. Die findet man an allen Ecken und Enden der Welt; und du greifst nicht wenige davon auf. Willst du beim Hörer ein Nachdenken und im besten Fall ein Umdenken bewirken? Oder fasst du das als eine Art Psychohygiene deiner selbst auf … weil’s einfach raus muss?
Stöckl: Ich glaube beides. Mich beschäftigen Ungerechtigkeiten wie Rassismus, Klimapolitik, Krieg usw. und das sind natürlich gute Themen um Songs zu schreiben. Im besten Fall denken die Hörer auch darüber nach!
CF: Dein Gesang ist nicht mehr so aggressiv wie auf dem Debut. Macht sich bereits die Altersmilde bemerkbar?
Stöckl: Definitiv!
CF: Wieso heißt der Song „Bossa Punk“? Die Musik ist weder Bossa noch Punk.
Stöckl: Die Nummer ist schon älter und war damals eine Bossa Nummer. Ich hab einen neuen Text geschrieben und sie punkig angelegt. Sie hieß beim Aufnehmen „Bossa Punk“ und wird vielleicht noch umbenannt in „Es Oaschlecha hauts unsa Wöd zaum und egal wie laut ma schrein, es mochts afoch weida!“
CF: Worum geht es in dem Lied? Der Text handelt vom Klimawandel, oder?
Stöckl: Ja genau! Du hast ja den Text doch verstanden! Ich hab mir schon oft gedacht, dass wir Menschen nichts weiter sind als zwei Tage Flohbefall auf einem Hund. So gesehen wird sich die Welt erholen wenn wir uns selbst zerstört haben. Vielleicht hört dann jemand zu, wenn man darüber singt, dass die Welt ganz gut ohne uns auskommen wird. Der Mensch ist leider ein Egomane. Und deswegen muss man ihn genau da abholen. Beim Ego. Die Umwelt ist ihm scheissegal!
CF: Die Talking Heads brachten 1984 ein Album mit dem Titel „Stop Making Sense“ raus. Der Aufforderung kamen viele Bands nach. Sie versuchten nicht mehr, die Welt „politisch“ zu erklären, sondern „psychologisch“ und sangen daher über ihre persönlichen Befindlichkeiten.
In der elektronischen Musik verzichtete man überhaupt auf den Gesang, da er den „Sound“ störte.
Darf man als Musiker die Welt jetzt wieder als Zusammenspiel von Menschen, also Gesellschaft sehen, die sich entweder vertragen, oder gegeneinander antreten? Darf man als Musiker wieder die Machtverhältnisse benennen?
Stöckl: Ich glaub als Musiker darf man alles. Deswegen gibt es auch Nazibands! Leider…
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