Lia Quirina – Ständig in Bewegung sein

Vielseitige Künstlerin Lia Quirina . Foto © Anna Netouschek, z.V.g.
Vielseitige Künstlerin Lia Quirina . Foto © Anna Netouschek, z.V.g.

Eine junge Kunstszene in St. Pölten? Gibt es! Mit Lia Quirina zum Beispiel, die im Herbst des Vorjahres im Sonnenpark eine Auswahl ihrer Werke zeigte, wird man rechnen müssen. Noch in Ausbildung bedient sich die 18-jährige Künstlerin be­reits verschiedenster Techniken, die vor allem den menschlichen Körper in Szene setzen.

Interview: Werner Harauer

 

CF: Welche Schule besuchst du derzeit?

Lia Quirina: Ich bin daran, das letzte Jahr der „KunstModeDesign Herbststrasse“ im plastischen Zweig in Wien zu absolvieren. Dort genieße ich sehr vielfältigen Kunstunterricht, wodurch ich mit etlichen Kunstprofessor*innen im Austausch stehe.

CF: Willst du danach auf eine Kunstakademie?

Lia Quirina: Momentan konzentriere ich mich auf die Bewerbung für einen Studienplatz an der Akademie der Bildenden Künste.

CF: Hat dein Künstlername eine Bedeutung?

Lia Quirina: Bei meinem Künstlernamen „Lia Quirina“ handelt es sich um meine beiden Vornamen, obwohl ich auch jede andere kreative Kreation hätte einsetzen können. Für mich repräsentieren diese das gegensätzliche Verhältnis zwischen Vorgegebenem und Freiem.

CF: Die Arbeiten von dir im Netz sind sehr vielfältig. Du malst, zeichnest, formst Skulpuren und Plastiken, machst ein wenig in Medien. … was machst du momentan am liebsten?

Lia Quirina: Ich arbeite sehr vielseitig und das ist mir auch wichtig. Ich versuche mehrere Ebenen miteinander zu verknüpfen, um Neues zu entdecken, wobei nicht direkt das Medium, sondern die oft unterschwellige, enigmatische Aussage im Vordergrund steht. Hierbei geht es nicht primär um Experimentelles, sondern auch um Dokumentarisches. Inwiefern ist Dokumentarisches Kunst? Aber ist nicht jeder Schritt und Tritt ein autobiografisches Zeugnis? Ist jede bewusste Veränderung in der Umwelt Kunst?

CF: Hast du deinen Stil gefunden? Hast du vor, dich zu spezialisieren?

Lia Quirina: Meiner Meinung nach kann man sich nie vollkommen auf etwas Spezifisches, wie zum Beispiel einen einheitlichen Stil festlegen. Der Mensch und seine Umwelt sind stets in Bewegung und verändern sich im Laufe der Zeit. Mein momentaner figurativer „Stil“ formt sich ebenso, je nach äußerem Einfluss und meiner Gemütslage. Aktuell schweife ich jedoch in die Welt der Buchstaben und des Geometriesierten ab und verbinde diese mit Figürlichem oder Abstraktem.

CF: Bis du mit der St. Pöltner Kunst-Community vernetzt?

Lia Quirina: Ich stehe im ständigen Austausch mit der Kunstszene in St. Pölten. Vor allem durch und im Kunst- und Kulturverein LAMES oder durch eigenständige Projekte bin ich mit etlichen lokalen Künstlern in Kontakt.

CF: Der menschliche Körper spielt in deinen Arbeiten eine wichtige Rolle. Was fasziniert dich daran? Ist der menschliche Körper nicht ein Auslaufmodell, das bald durch Chimären und durch die Robotik ersetzt wird?

Lia Quirina: Der menschliche Körper ist das, was für mich am greifbarsten erscheint und trotzdem komplexe Strukturen aufweist. Durch und in unserem Körper können wir uns ausdrücken und identifizieren oder aber auch neu erfinden. Wir können ihn als Spielplatz nutzen und mit ihm experimentieren. In der Kunst kann er sowohl als „Hilfsmittel“ für Erschaffungen, als auch als performatives Medium verwendet werden. Einerseits können wir uns mit ihm anpassen, einen Typus repräsentieren, andererseits eine neue Identität kreieren. Es gibt nichts Intimeres oder Ehrlicheres als den eigenen Körper, das Selbst. Gerade in der heutigen Zeit, in der Chimären und menschenähnliche Roboter in greifbare Nähe rücken, ist es wichtig, den Menschen nicht auf die Arbeitsleistung oder Ähnliches zu reduzieren, sondern als Individuen wahrzunehmen.

CF: Auffällig oft sexualisierst du Themen. Ist das Strategie? Provokation? Ist dir das Thema wichtig?

Lia Quirina: Ist ein nackter Körper sexuell? Warum ist Nudität provozierend? Warum ist etwas so Alltägliches tabuisiert? All diese Fragen stehen im engen Sachverhalt mit den Auswüchsen unserer Gesellschaft. Warum sind gerade sexualisierte Motive für viele anziehend und regen zum Nachdenken an? Natürlich haben viele meiner Arbeiten eine enge Verbindung zur Sexualität, jedoch lassen sie sich nicht einzig und allein darauf reduzieren. Sie sollen Fragen aufwerfen, den Betrachter zur Selbstreflexion anregen.

CF: Es gibt Fotos von dir im Netz, auf denen du die Geschlechtszuschreibungen verwischt, oder überhaupt gleich die Geschlechterrollen tauscht. Experimentierst du mit verschiedenen Geschlechtsidentitäten und checkst dabei die Reaktion der Umwelt ab?

Lia Quirina: Ich würde nicht direkt sagen, dass ich mit meiner Identität und meinem Geschlecht experimentiere. Viel mehr versuche ich zu repräsentieren, was ich temporär fühle. Außerdem finde ich es interessant, das Geschlecht in die Mode zu integrieren, beziehungsweise davon zu differenzieren.

CF: Die Gender-Studies sind momentan wieder sehr en vogue. Bist du mit der Gender-Thematik vertraut? Ich beobachte, dass auch in der Kunst Gender und Diversity stark thematisiert werden. Liege ich da richtig? Kann die Auseinandersetzung mit den Themen innerhalb des Kunstbetriebs etwas bewirken? Erreicht man damit die breite Bevölkerung?

Lia Quirina: Mit den grundsätzlichen Strukturen der Gender-Studies bin ich durchaus vertraut, jedoch gibt es etliche Variationen der Genders und Begriffe für diese. Einerseits sind diese Bezeichnungen wichtig um sein eigenes Gender-Empfinden konkret ausdrücken zu können. Andererseits vermitteln sie einem das Gefühl, sich einordnen zu müssen. Und ja, vor allem in der Kunst finden Gender und Diversity Einklang, denn hier kann Gender, auch ohne begriffliche Definition, ausgedrückt werden. Fragwürdig ist jedoch, inwiefern damit die breite Masse erreicht werden kann, denn zumeist ist das Publikum jener Werke schon mit der Thematik vertraut. Nichtsdestotrotz ist und bleibt die Gender-Thematik für mich ein wichtiges und unterstützenswertes Thema in meinen Arbeiten und der Kunstszene.

CF: Ist das Video auf deiner Insta-Seite von dir? In seiner Einfachheit ist es sehr ausdrucksstark …

Lia Quirina: Das Video, aufgenommen von Florian Wallner, ist die Dokumentation eines sogenannten Präzisionssprung von mir und repräsentiert eine meiner sportlichen Leidenschaften, das Parkour. Hierbei ist anzumerken, dass oft die Grenzen zwischen Sport und künstlerisch Performativem verschwommen verlaufen. Mein Ziel für die nähere Zukunft ist das aktive Verbinden dieser, um meine künstlerische Aktivität um eine neue Ebene zu erweitern.

CF: Deine Arbeiten auf Papier oder Leinwand sind sehr flächig gehalten. Deine Skulpturen sind wiederum sehr raumgreifend. Wie hältst du es mit dem Räumlichen?

Lia Quirina: Für mich ist das Räumliche eine Steigerung des Flächigen und das Bewegte wiederum eine Steigerung des Räumlichen, unbeeinflusst von der künstlerischen Qualität. Die drei-dimensionale Erweiterung hat mich stets angezogen. Ich wollte immer Größeres, Besseres, Komplexeres erschaffen. Doch ist dieses Verlangen nicht ein Symptom unserer Erfolgs-Konsumgesellschaft oder einfach menschlich?

CF: Was haben dir deine Mutter, die Kunsttherapeutin Astrid Gladilin, und dein Vater Max „Quartz“ Weidmann-Krieger (Filmemacher und Fotograf) an künstlerischem Handwerkzeug mitgegeben?

Lia Quirina: Natürlich haben mich meine Eltern immer unterstützt. Ich bin durch meinen Vater mit den Medien Film und Fotografie früh in Kontakt gekommen. Diese habe ich jedoch in meiner bisherigen künstlerischen Laufbahn, bis auf einige kleinere Filmprojekte, nur gestreift, wobei ich mich in näherer Zukunft verstärkt mit den Medien Film und Fotografie beschäftigen möchte.

CF: KünsterInnen und Popstars gleichen sich immer mehr an. Muss ich heute in meiner Erscheinung als Künstler nicht viel mehr der Erwartungshaltung meines Publikums entsprechen als in früheren Zeiten?

Lia Quirina: Die Erwartungshaltung des Publikums hat, meiner Meinung nach, immer schon stark das künstlerische Schaffen beeinflusst, wobei diese durch die Medien heutzutage noch stärker vertreten werden kann als je zuvor. Akzeptanz sowie Kritik gelangen viel schneller und konzentrierter zum jeweiligen/ zur jeweiligen Künstlerin. Aus der Bahn Geworfenes, Anderes, Außergewöhnliches stößt oft an Wände und braucht ein starkes Selbstbewusstsein, kann jedoch auch einen neuen Weg bereiten und zuvor verschlossene Türen öffnen.

CF: Ich bedanke mich für das Interview.

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Werner Harauer
Magister Phil. (Publizistik, Kunstgeschichte), City-Flyer Gründer (1997) und Herausgeber. Im Brotberuf Öffentlichkeitsarbeiter, Journalist und Grafiker, Vinyljunkie seit der Punk und Disco-Ära. Workaholic auf der Suche nach dem perfekten Popsong.

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