Martin Mosebach – Taube und Wildente

 

 

 

 

 

 

 

 

Martin Mosebach`s eindrucksvoller Gesellschaftsroman ist eine bildstarke, subtile Geschichte über Kunst, Verlust und menschliche Schwächen.

Der Verlagschef Ruprecht Dalandt verbringt, wie jedes Jahr, mit seiner Familie den Sommer in einem Landhaus in der Provence. Dieses gehörte einst dem steinreichen, vor zwölf Jahren verstorbenen Kunstsammler Cornelius De Kesel, geerbt hat es seine Tochter Marjorie, die Frau von Dalandt. Im Haus ebenfalls anwesend sind Paula, ihre Tochter aus erster Ehe, deren Tochter Nike und ihr Freund Max, dessen Wunsch es ist, einst erfolgreicher Pianist zu werden. Dalandt`s Mitarbeiter, Fritz Allmendinger und die neue Lektorin Sieglinde Stiegle werden zu einem „Arbeitsurlaub“ empfangen.

Wie es bei allen Besuchern der Fall ist, werden auch die beiden zur Besichtigung der umfangreichen Kunstsammlung durch die Sommerresidenz geführt. Als sie zum Gemälde „Taube und Wildente“ kommen, dem Dalandt bisher nie Beachtung schenkte, es aber diesmal, obwohl er sonst ein schweigsamer Mensch ist, nach abfälligen Bemerkungen seiner Frau leidenschaftlich verteidigt, ändert sich die Stimmung zwischen dem Ehepaar, dessen Vernunftehe bisher ohne größerer Auseinandersetzungen vollzogen wurde. Als der Hausherr zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal alleine das Kunstwerk aufsucht, entdeckt er auf dem Schnabel der Taube einen zarten zinnoberroten Punkt. Dadurch wird das Stillleben für ihn aus künstlerischer Sicht noch wertvoller. Was Marjorie dazu veranlasst, genau dieses Werk verkaufen zu wollen, um das Geld für eine dringende Dachreparatur des Landhauses zu verwenden.

Schon bald wird deutlich, dass dies keine idyllische Geschichte ist, sondern es mächtig kriselt zwischen den Akteuren. Marjorie hat ein Verhältnis mit Damien, dem Verwalter des Landhauses, womit der wissende Ehemann kein Problem hat. Denn sein wesentlich gröberes Vergehen war es, seine damals minderjährige Stieftochter Paula geschwängert zu haben. Er und die junge Frau haben niemanden davon erzählt und dabei soll es auch bleiben. Allmendinger hingegen kann seinen Chef nicht leiden und plant Intrigen gegen ihn, indem er zu einem anderen Verlag wechseln möchte, der dann Dalandt`s „Papyros Press“ übernehmen soll. Als Verbündete für dieses Unternehmen hat er seine Kollegin Stiegle ausgewählt.

Die meisten Figuren in diesem Buch sind gezeichnet von der Gier nach Macht und Geld und selbst als die Elemente Wasser und Feuer ihre zerstörerischen Kräfte entfalten: Die Dalandt`s sind dadurch nicht zu brechen und nehmen es, wie es eben kommen mag.

Martin Mosebach ist mit seinem Gesellschaftsroman eine bildstarke, subtile Geschichte gelungen, welche sich unter anderem mit Wesen und Wert der Kunst auseinandersetzt. Der Titel des Romans und das darin genannte Kunstwerk beziehen sich auf das Gemälde „Tote Feldtaube und Wildente“ von Otto Scholderer (1834-1902). Ein Detail am Rande: Das Landhaus im Roman liegt am Fuße des von Paul Cézanne häufig gemalten Berges „Sainte-Victoire“.

Martin Mosebach
Taube und Wildente
Roman | dtv, 2022
336 Seiten | € 24,70

Claudia Zawadil
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Claudia Zawadil
DI (FH); beim City-Flyer seit März 2002, schreibt Buchrezensionen und Ankündigungen und fotografiert gelegentlich bei diversen Events. Ebenso ist sie Radiomoderatorin (BlackXplosion), Arthouse Cinema-Fan und Vinyl-Lover.

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      miss_marple
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