Beim Studium der US-Musikgeschichte stößt man immer wieder auf Kuriositäten. Eine davon ist der sogenannte Hillbilly, was frei übersetzt Hinterwäldler Musik aus dem frühen 20. Jahrhundert bedeutet. Ale Elsbacher und Filius de Lacroix holen mit ihrer Formation the Bant den Hillbilly in die Gegenwart und die Zuhörer ans Lagerfeuer.
Interview: Werner Harauer
Foto: The Bant
City-Flyer: Wer sind The Bant?
Filius de Lacroix: The Bant besteht grundsätzlich aus meiner Freundin Ale an den Drums und mir an der Gitarre und hinter dem Mikrophon. Wobei wir uns aber die Option offen lassen, für bestimmte Songs Gastmusiker einzuladen.
CF: Du spielst Countrysongs, wo du in die Metropole ausgewandert bist. Wieso das?
Filius de Lacroix: Bluegrass und Blues hörte ich als Kind schon, da meine Eltern musikalisch sehr unterschiedliche Musik schätzten. Von Jazz über Soul, Klassik und natürlich auch Bluegrass. Mein Vater hatte übrigens in seiner Jugend eine Skiffleband, von der es aber leider keine Aufnahmen mehr gibt. Später haben mich diese Beiden Musikrichtungen insofern interessiert, da sie ja quasi die Wurzeln des Rock’n’Roll und somit unserer gesamten Populärmusikkultur darstellen. Im frühen MissisippiDeltaBlues hört man noch das Archaische heraus, minimiert auf teilweise eine Tonart. Noch weit weg von dem 12 Takt Bluesschema von heute. Eher eine Momentaufnahme von Gefühlen der Musiker. Und auf der anderen Seite die irischen musikalischen Wurzeln der ersten Siedler in den Appalchen. Also eigentlich früher Britpop 🙂
CF: Siehst du dich als Fachmann dieses Metiers, weil du ein Hinterwäldler (hinter dem Wienerwald) bist?
Filius de Lacroix: Ich bin definitiv ein Landkind und liebe es und stehe zu meinem Dialekt. Auch wenn ich in Wien lebe, bleibt St. Pölten immer meine Heimatstadt und die Stadt, die ich liebe.
CF: Du hast schon viele Musikprojekte ins Leben gerufen bzw. an ihnen mitgewirkt. Die jüngsten waren Lime Lobster, Mila Wang und jetzt The Bant. Musikalisch klingen sie sehr unterschiedlich. Gibt es einen gemeinsamen Nenner der Bands, bei denen du mitspielst?
Filius de Lacroix: Der gemeinsame Nenner ist vermutlich jener, dass ich nur Musik mit Freunden und Menschen mache, die ich wirklich von ganzem Herzen mag, Das muss in dem Moment wie eine Familie oder Gang funktionieren. Und da ich halt so ein Fludriwusch bin, hab ich auch immer neue Interessen. By the way, Mila Wang ist noch existent und geht weiter, sobald unser Drummer wieder spielen kann.
CF: Deine Partnerin am Schlagzeug und Lebensgefährtin war zuvor auch schon musikalisch aktiv?
Filius de Lacroix: Ale hat früher Akkordeon gelernt und in ihrer Jugend professionell als Tourniertänzerin getanzt. Und da dachte ich mir, wer Tanzen kann kann auch Schlagzeug spielen. Das macht sie jetzt seit letztem Sommer, nachdem ich gemeint habe: Tanz mit dem Schlagzeug!
CF: Kommt Ale nicht vom Film?
Filius de Lacroix: Ja. Sie ist Kostümbildnerin für Werbung, Film und auch für Theater. Dadurch bringt sie auch einen Superinput, wenn es um den optischen Auftritt von the Bant geht.
CF: Ist es schwieriger, zu Zweit zu spielen, oder mit einer klassischen Bandbesetzung mit Gesang, Gitarre, Bass, Schlagzeug?
Filius de Lacroix: Tja, bei einer 2-Personen Combo kann man sich halt nicht hinter anderen Musikern verstecken, da stehst du schon sehr nackt vor dem Publikum. Nicht das ich das nicht kenne, hahaha.
CF: Natürlich fallen mir die White Stripes ein, wenn ich an die Besetzung von The Bant denke und deren musikalische Selbstbeschreibung lese. Gibt es Gemeinsamkeiten mit Jack und Meg White?
Filius de Lacroix: Uns mit White Stripes zu vergleichen ehrt uns jetzt natürlich sehr, aber die Assoziation ist nicht so weit her gegriffen. Jack White orientierte sich in den frühen Jahren ja auch stark am Blues der vorherigen Jahrhundertwende, und ich versuche eher den Hillbilly Sound dieser Zeit neu zu interpretieren.
CF: Mit zwei MusikerInnen muss man die Essenz aus einem Song herausfiltern, anderes ist technisch gar nicht möglich. Worauf kommt es bei einem Song von The Bant an?
Filius de Lacroix: Der wichtigste Part ist die Stimme, die eine Geschichte erzählt, unterstützt von Drums und minimalen Akkorden an der Gitarre. Und weiters ist mir bei The Bant sehr wichtig, das Publikum in ein fiktive Vergangenheit zu entführen. Wer sitzt nicht gerne am Lagerfeuer und träumt von einer Zeit voller Ruhe und/oder Abenteuer.
CF: Schreibst du die Songs selber, oder sind das Coverversionen?
Filius de Lacroix: Die Nummern sind fast alle Eigenkompositionen. Wobei wir schon auch Coverversionen miteinbinden , wie zum Beispiel „my girl“, das man ja von Nirvana kennt, die damals Leadbelly gecovert haben. Und sogar Leadbelly hat diesen Song, der vermutlich aus den 1870ern ist und erstmals von Dock Walsh 1926 aufgenommen wurde, übernommen. Wir haben versucht, in zeitgemäß, aber an die Urform angepasst wiederzugeben.
CF: Habt ihr auch einen Lovesong im Repertoire? Die Hinterwäldler werden schließlich auch Liebe machen, sonst wären sie schon ausgestorben.
Filius de Lacroix: Lovesong? Echt jetzt? Haha. Ja doch, wir haben „Escape“ von Rupert Holmes verändert und als letzte Zugabenummer hinzugefügt. Lovestory mit Problemen …
CF: Entsprechen die Fans von The Bant deinen Vorstellungen vom Hörer eurer Musik? Du stellst ja ziemlich hohe Anforderungen. Er/sie muss David Lynch und Quentin Tarantino kennen, als Punk in Westernboots den Squaredance beherrschen und Spaghettiwestern lieben …
Filius de Lacroix: Ich glaube, es gibt für the Bant nicht diese typischen Fans. Momentan ist das Publikum ein bunter Mix aus Altpunks, Cineasten und vielen Menschen aus der Kreativbranche.
CF: Im tiefsten Waldviertel würden – in einem Film von Quentin Tarantino oder Josef Hader – die jungen Blauen und Türkisen Bierflaschen nach euch werfen … wär das nach deinem Geschmack?
Filius de Lacroix: Nicht, dass mir das mit meiner ehemaligen Band Milch nicht schon passiert wäre, aber was Bluesbrothers geschafft haben, schaff ich schon lange. Wie heißst’s so schön: wenn es jedem gefällt, machst du grundlegend etwas falsch.
CF: Die Songs sind sehr skizzenhaft angelegt. Erlaubt ihr euch auf der Bühne zu improvisieren? Oder habt ihr dieses Ungeschliffene im Proberaum einstudiert?
Filius de Lacroix: Die Nummern sind ziemlich exakt im Proberaum so einstudiert und haben, auch wenn sie nicht so klingen, einen sehr fixen Ablauf. Aber ich lasse mir trotzdem in einigen Teilen die Freiheit zu improvisieren, um mehr aufs Publikum eingehen zu können. Darum auch die beiden Geangsmikrophone, um noch intensiver mit Ale an den Drums zusammen arbeiten zu können. Am Sound der Gitarre hab ich ca. den ganzen Lockdown lange gearbeitet, damit der so reudig herüberkommt, als würde man über einen kaputten Amp spielen.
Der Plan dahinter: Es soll so klingen, als würden sich zwei Personen auf der Veranda vor der Holzhütte treffen und mit den Mitteln, die gerade zur Verfügung stehen spontan gemeinsam Musik machen.
CF: Habt ihr in Wien einen Proberaum, oder probt ihr in St. Pölten?
Filius de Lacroix: Die Songs entstehen als erstes zuhause auf der Couch, und dann proben wir in Wien im T-On am Naschmarkt
CF: Du bist kein Freund der Perfektion? Laut Wilfredo Pareto erzielt man mit 20% Aufwand 80% des gewünschten Ergebnisses. Sind 80% des gewünschten Ergebnisses ausreichend? Und welches Ergebnis wünscht du dir für dich bzw. für das Publikum?
Filius de Lacroix: Stimmt. Ich bin kein Freund der Perfektion, ich brauche aber für jedes Projekt zuerst eine lange Planungsphase. Wenn das im Kopf und am Papier funktioniert, dann wird es umgesetzt. Wenn ich es schaffe, das Publikum für eine Stunde aus Ihren Alltag abzuholen, dann hab ich alles geschafft.
CF: Das Styling spielt bei dir immer eine große Rolle. Wie David Bowie schlüpfst du quasi in verschiedene Rollen. Bei der Band MILCH hast du den Proll-Rocker gemimt, bei Lime Lobster den Mod und nun den Hobo. Hilft dir die Verkleidung beim Performen der Songs? Wirkt die Aneignung fremder Musiktraditionen dann authentischer?
Filius de Lacroix: Ach, da seh ich Musikmachen schon immer ein bisserl wie Theater oder Kino, und darum geb ich dem Publikum gerne ein Gesamtkonzept. Im Grund genommen geht’s ja trotzdem um Unterhaltung. Wie hat der Drummer von Lime Lobster, der Hetschi, so schön gesagt: „wir spün des üwa de Optik.“
CF: Ich vermute, der Live-Auftritt bzw. die Show ist euch wichtiger, als die Studioarbeit. Sosehr du in verschiedenen Bands engagiert bist/warst, so wenig Tonträger gibt es mit dir. Wird es diesmal Aufnahmen geben?
Filius de Lacroix: Wir werden es versuchen, haha. Ja geplant ist das schon.
CF: Und die wichtigste Frage: wann und wo werden The Bant das nächste Mal live zu sehen sein?
Filius de Lacroix: Vermutlich schon sehr bald und zwar Ende Februar bzw Anfang März im legendären Tanzcafé Jenseits in Wien im 6. Hieb.
CF: Vielen Dank für das Interview.
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